3. Parlamentarischer Abend des Wirtschaftsverbandes Handwerk M-V

Foto: Vincent Kokert, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag M-V und Michael Roolf, Präsident des Wirtschaftsverbandes Handwerk Mecklenburg-Vorpommern.

„Was wäre Mecklenburg-Vorpommern ohne das Handwerk? - Was wäre das Handwerk ohne gute Fachkräfte?“

Diesen beiden elementaren und weiteren Fragen stellten sich die Landtagsabgeordneten aller demokratischen Fraktionen am 6. Mai im Schloss Schwerin. Während sich die Antworten der Fraktionen zum Teil erheblich unterschieden, gab es doch eine große Übereinstimmung darin, dass das Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur der wichtigste Ausbilder sondern auch die einzig wahre Wirtschaftsmacht ist. Ausgehend von diesem Bekenntnis durch die Landtagsabgeordneten verlief die bedeutendste Veranstaltung des Wirtschaftsverbandes im Jahr überaus erfolgreich. Sie kann zu Recht als ein gelungener Frühjahrsauftakt für die Auszubildendensuche unserer Innungsfachbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern bezeichnet werden. Die überragende Resonanz in den Medien hat uns zudem das öffentliche Interesse gesichert.

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten Michael Roolf hielt Vizepräsidentin Beate Schlupp als Hausherrin des Landtags ihr Grußwort, welches sie mit einem Zitat und der Forderung nach weniger Mundwerkern und mehr Handwerkern beendete.

Daran anschließend erörterte Schornsteinfegermeisterin Stefanie Lehmann als Fachreferentin des Handwerks die Frage der Nachwuchs- und Fachkräftesicherung aus ihrer Sicht als Landesberufsbildungswart in der Schornsteinfeger-Innung Mecklenburg-Vorpommern und als Arbeitgeberin. Ihre Rede können Sie nachfolgend nachlesen.

Ralf Hermes, Vorstand der IKK Nord, berichtete dann als gesundheitspolitischer Fachreferent zur aktuellen landespolitischen Entwicklung im Bereich der Gesundheitsförderung und zeigte auf, welche Strukturen über die AGNetz M-V hinaus bereits vorhanden oder erforderlich sind, um die Handwerksbetriebe angesichts der besonders kleinteiligen Strukturen des hiesigen Handwerks überhaupt zu erreichen. Eine Zusammenfassung seiner Rede finden Sie in dieser Handwerksauskunft.

Für die Landtagsfraktionen redeten Jutta Gerkan (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin Regine Lück (DIE LINKE), Jochen Schulte (SPD) und Fraktionsvorsitzender Vincent Kokert (CDU).

Auf Bitte des Präsidenten Michael Roolf trat abschließend auch die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern, Birgit Hesse, an das Pult. Nachdem sie sich ausdrücklich für die hervorragende Rede von Stefanie Lehmann bedankte, versprach sie darüber hinaus sich für eine finanzielle Förderung des „Vereins zur Förderung der Betrieblichen Eingliederung im Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern“ einzusetzen und das Hamburger Konzept der „Benachteiligten Ausbildung“ als eine Option für Mecklenburg-Vorpommern zu prüfen. Als ehemalige Landrätin zeigte sie zudem Verständnis für die Kritik am Auslaufen des Bundesprogramms zum Regionalen Übergangsmanagement zwischen Schule und Wirtschaft auf in den Kreisen. Eine Eins-zu-eins-Übernahme durch das Land sei derzeit jedoch nicht realisierbar. Stattdessen soll verstärkt in den Schulen vor Ort der Übergang in das Berufsleben koordiniert werden.

Die Rede von Stefanie Lehmann, Schornsteinfegermeisterin in Schwerin und Landesberufsbildungswart der Schronsteinfeger-Innung Mecklenburg-Vorpommern:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

seit 2011 bin ich als bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerin in Schwerin bestellt.

Der Beruf des Schornsteinfegers, begleitete mich von Kindesbeinen an. Mein Vater war auch Schornsteinfeger und ich konnte von klein auf den Beruf kennen und lieben lernen. Rund um Klütz habe ich ihn schon als Kind oftmals bei seinen Touren begleitet. Durch meine Erlebnisse wurde frühzeitig der Wunsch geweckt, auch einmal Schornsteinfeger zu werden.

Die Schornsteinfeger gelten für viele Menschen noch heute als Glücksbringer. Der Beruf steht für Umweltschutz, Brandschutz und neutrale Beratung. Zum abwechslungsreichen Aufgabengebiet gehört der ständige Kontakt mit den Menschen, den Kunden. Der Schornsteinfeger ist längst nicht mehr nur der schwarze Mann auf dem Dach, sondern seine Tätigkeiten erstrecken sich heute auch auf die Überwachung der Feuerungsanlagen, Überprüfung und Reinigung von Lüftungsanlagen und der Kontrolle der energetischen Standards.

Meine Leidenschaft für den Beruf des Schornsteinfegers teilen derzeit leider aber nur wenige Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern. 10 bis 12 Auszubildende benötigen wir jährlich. Aktuell liegen lediglich 5 Bewerbungen vor.

Als Landesberufsbildungswart der Schornsteinfeger-Innung in Mecklenburg-Vorpommern bin ich zuständig für die berufliche Aus, Fort- und Weiterbildung. Jährlich führen wir so wie in vielen anderen Ausbildungsberufen einen Eignungstest durch. Bestehen spezifische Defizite bei den Bewerbern, versuchen wir diese durch entsprechende Förderung und Nachhilfe auszugleichen. Sind mehrere Anforderungen nicht erfüllt, müssen wir den Be-werber leider ablehnen, und das aus gutem Grund. Das Schornsteinfegerhandwerk zählt neben einigen anderen Gewerken zu den sogenannten gefahrengeneigten Handwerksberufen. Das Risiko für das Leben sowie für Hab und Gut ist hier besonders hoch. Die Einhaltung von gewissen Qualitätsstandards ist also lebensnotwendig. Deshalb stehen wir sowohl dem Kunden als auch unseren Angestellten gegenüber in der Verantwortung, deren Sicherheit bestmöglich zu schützen.

Viele Handwerksunternehmer stellen sich mittlerweile etwas ratlos die Frage, wie und woher sie noch geeignete Nachwuchskräfte beziehen können.

Erschwerend kommt hinzu, dass bei vielen Jugendlichen und Eltern nach wie vor Vorurteile bestehen, wonach das Handwerk einzig für harte, schmutzige Arbeit steht - und das bei schlechter Entlohnung.

Die erfolgreiche Image-Kampagne des Handwerks soll diesen Vorurteilen entgegenwirken. Der eingangs gezeigte Film ist eines von vielen Instrumenten dieser Kampagne.

Darüber hinaus haben viele Gewerke bereits Werbemittel entwickelt, mit denen schon Kinder im Vorschulalter für das Handwerk begeistert werden sollen. Diese sollen vermitteln, was die „Helden des Alltags“ alles leisten. Auch der ZIV hat unterschiedliche Instrumente entwickelt, um Kinder und Jugendliche für unseren Beruf zu begeistern. Schorn-steinfegercomics und Malbücher erzählen spielerisch von den täglichen Aufgaben eines Schornsteinfegers. Da Mecklenburg-Vorpommern ein Flächenland ist und wir viele erreichen wollen, wurden aus den Reihen der Meister Lehrlingsscouts fortgebildet, die in Schulen aktiv für den Beruf werben.

Wie auch immer wir das Nachwuchsproblem angehen wollen. Im Ergebnis steht fest, dass es dem Handwerk zukünftig besser gelingen muss, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen, seine Bedeutung für unsere Gesellschaft präsenter zu machen und letztlich aufzuzeigen, dass das Handwerk viele interessante, anspruchsvolle Berufe mit Perspektive zu bieten hat.

Dabei kann uns die Politik in jeder Hinsicht unterstützen.
Das können Sie als verbindliche Aufforderung verstehen.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich zudem für den diesjährigen Kalender des Wirtschaftsministeriums bedanken, in dem verschiedene Handwerker aus Mecklenburg- Vorpommern ihren Beruf vorstellen.

Eine Fortsetzung wäre wünschenswert, bei der dann natürlich auch ein Schornsteinfeger dabei sein sollte.

Aber was kann die Politik weiter tun?

Zahlreiche Umfragen bei den Angestellten im Handwerk, haben ergeben, dass neben einem positiven, familiären Betriebsklima auch zusätzliche Angebote im Betrieb sowie regionale weiche Standortfaktoren entscheidend für die Arbeitgeberwahl waren. Junge wie ältere Fachkräfte, Männer wie Frauen, bewerten diese bei der Arbeitgeberwahl sogar höher als die Entlohnung.

Im Detail heißt das: Zukünftige Fachkräfte wünschen sich vor allem eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort, ein wohnortnahes Angebot an Schulen, am besten mit Ganztagsversorgung, und natürlich ein ausreichendes Angebot an Kindestagesstätten mit flexiblen Öffnungszeiten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten.

Das wünschen wir, die Arbeitgeber im Handwerk, uns auch.

In der heutigen Arbeitswelt sind Dienstleistungen zu später Stunde und am Wochenende keine Seltenheit mehr, auch nicht im Handwerk. Wie im Einzelhandel insgesamt, arbeiten die Fachverkäuferinnen im Bäcker- oder Fleischerhandwerk natürlich auch am Wochen-ende. Und die Arbeitszeit auf vielen Baustellen begrenzt sich oftmals auch nicht auf die reguläre Arbeitswoche von Montag bis Freitag. Im Schornsteinfegerhandwerk gehören Termine nach 17.00 Uhr und am Samstag mittlerweile zur Selbstverständlichkeit. Nur so ist eine umfassende Dienstleistung am Kunden zu gewährleisten.

Tatsache ist: Die durchschnittlichen Öffnungszeiten der Kindertagesstätten von 8.00 bis 17.00 Uhr entsprechen nicht mehr der Arbeitsrealität. Hier muss es flexiblere Angebote geben, um die allerorts geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie tatsächlich zu leben.

Hier hat Mecklenburg-Vorpommern die Chance Vorreiter zu sein und sich im Wettbewerb mit anderen Bundesländern um junge Fachkräfte sowie für Wirtschaftsansiedlungen hervorzuheben.


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in Bezug auf die Nachwuchsgewinnung existiert zudem eine weitere wichtige Frage: Wie kann man den vielen Jugendlichen, die jetzt ohne Schulabschluss dastehen beziehungsweise nicht über die nötige Ausbildungsreife verfügen, dennoch eine Zukunftsperspektive bieten?

Das Handwerk ist bereit seinen Teil beizutragen, aber gerade bei den gefahrengeneigten Handwerksberufen ist und bleibt die nötige Ausbildungsreife unerlässlich. Das sind wir unseren Kunden und letztlich auch unserem eigenem Qualitätsanspruch schuldig.

Bei einigen Gewerken besteht indes die Möglichkeit und das Engagement, Jugendlichen, die aufgrund ihrer schulischen Vorbildung, ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Nationalität, die Anforderungen einer betrieblichen Ausbildung häufig nicht bewältigen können, eine Chance zu geben.

Das hiesige Bäcker- und Konditorenhandwerk möchte beispielsweise gern das Konzept der „Benachteiligten Ausbildung“ aus Hamburg auch in Mecklenburg-Vorpommern erproben. Hier soll mithilfe einer sozialpädagogisch orientierten Ausbildung den sogenannten benachteiligten Jugendlichen das Erreichen eines vollwertigen Ausbildungsabschlusses erleichtert werden. Die Besonderheit dieser Ausbildung liegt in der Vermittlung berufsfachlicher Qualifikationen und der sozialpädagogischen Begleitung der Jugendlichen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Aufgreifen von individuellen Problemlagen, die Stabilisierung der Jugendlichen und die Entwicklung von Perspektiven und Lebensentwürfen. Das übergeordnete Ziel der Benachteiligtenförderung ist die dauerhafte Integration benachteiligter Jugendlicher in Beschäftigung.

Die Erfahrungen Hamburgs zeigen, dass dieses Projekt durchaus einen Versuch wert ist. Die Quote der Jugendlichen mit Benachteiligung, die ihre Lehre tatsächlich abgeschlossen haben, liegt bislang bei 100 %.

Ich bitte die Landespolitik zu prüfen, inwieweit das Handwerk hier, wie in Hamburg, finanzielle Unterstützung finden kann.

Gemeinsam können wir auf diesem Wege viel bewirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Rede von Ralf Hermes, IKK Nord - AGNetz M-V kann die Klein- und Kleinst-betriebe im Handwerk nicht erreichen

Ralf Hermes, Vorstand der IKK Nord, erklärte, dass der demographische Wandel bei vielen Handwerksbetrieben seit einigen Jahren ein Umdenken in Richtung Gesundheitsförderung bewirkt hat. Aktuell werden durch die IKK Nord hier in Mecklenburg-Vorpommern circa 50 Handwerksbetriebe betreut. Blickt man zurück auf die vergangenen 10 Jahre sind es einige Hundert.

Die Betreuung der Handwerksbetriebe erfolgt sehr betriebsnah. Das heißt, die Mitarbeiter der IKK Nord gehen direkt in die Backstube, die Werkstatt oder zur Baustelle und dass auch mitten in der Nacht. Die jeweilige Gesundheitsförderung ist anhängig von den Bedingungen vor Ort und variiert deshalb von Handwerksbetrieb zu Handwerksbetrieb. In diesem Zusammenhang verwies Ralf Hermes auf die besondere Situation in Mecklenburg-Vorpommern, wonach rund 95 % der Unternehmen Klein- und Kleinstbetriebe sind und belegte somit, wie personal- und zeitintensiv die erforderliche betriebsnahe Betreuung für insgesamt 20.000 Handwerksbetriebe wäre.

Seit ein paar Monaten existiert das Projekt „AGNetz M-V - Netzwerk Arbeit und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern e. V.“, gefördert durch das Land mit Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF), welches auch durch die IKK Nord unterstützt wird. Ralf Hermes legte dar, dass die AGNetz lediglich zwei Mitarbeiter beschäftigt. Diese sollen klein- und mittelständische Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten dabei unterstützen, sich für die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter einzusetzen. Die AGNetz sei nach Ansicht von Ralf Hermes überhaupt nicht in der Lage die Betreuung der vielen Handwerksbetriebe zu bewältigen. Deshalb hat er darauf hingewiesen, dass im Handwerk bereits entsprechende Strukturen bestehen. Seit ein paar Jahren besteht der „Verein zur Förderung der Betrieblichen Eingliederung im Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern“. Dieser verfügt sowohl über fachliche Erfahrungen als auch über die erforderliche Nähe zu den Handwerksbetrieben. Die AGNetz könne gern als Koordinator zur Gesundheitsförderung in Mecklenburg-Vorpommern fungieren, aber für eine individuelle Betreuung, wie sie im Handwerk vonnöten ist, müssten handwerksnahe Strukturen gestärkt werden.

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