„Sehr geehrte Damen und Herren,
seit 2011 bin ich als bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegerin in Schwerin bestellt.
Der Beruf des Schornsteinfegers, begleitete mich von Kindesbeinen an. Mein Vater war auch Schornsteinfeger und ich konnte von klein auf den Beruf kennen und lieben lernen. Rund um Klütz habe ich ihn schon als Kind oftmals bei seinen Touren begleitet. Durch meine Erlebnisse wurde frühzeitig der Wunsch geweckt, auch einmal Schornsteinfeger zu werden.
Die Schornsteinfeger gelten für viele Menschen noch heute als Glücksbringer. Der Beruf steht für Umweltschutz, Brandschutz und neutrale Beratung. Zum abwechslungsreichen Aufgabengebiet gehört der ständige Kontakt mit den Menschen, den Kunden. Der Schornsteinfeger ist längst nicht mehr nur der schwarze Mann auf dem Dach, sondern seine Tätigkeiten erstrecken sich heute auch auf die Überwachung der Feuerungsanlagen, Überprüfung und Reinigung von Lüftungsanlagen und der Kontrolle der energetischen Standards.
Meine Leidenschaft für den Beruf des Schornsteinfegers teilen derzeit leider aber nur wenige Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern. 10 bis 12 Auszubildende benötigen wir jährlich. Aktuell liegen lediglich 5 Bewerbungen vor.
Als Landesberufsbildungswart der Schornsteinfeger-Innung in Mecklenburg-Vorpommern bin ich zuständig für die berufliche Aus, Fort- und Weiterbildung. Jährlich führen wir so wie in vielen anderen Ausbildungsberufen einen Eignungstest durch. Bestehen spezifische Defizite bei den Bewerbern, versuchen wir diese durch entsprechende Förderung und Nachhilfe auszugleichen. Sind mehrere Anforderungen nicht erfüllt, müssen wir den Be-werber leider ablehnen, und das aus gutem Grund. Das Schornsteinfegerhandwerk zählt neben einigen anderen Gewerken zu den sogenannten gefahrengeneigten Handwerksberufen. Das Risiko für das Leben sowie für Hab und Gut ist hier besonders hoch. Die Einhaltung von gewissen Qualitätsstandards ist also lebensnotwendig. Deshalb stehen wir sowohl dem Kunden als auch unseren Angestellten gegenüber in der Verantwortung, deren Sicherheit bestmöglich zu schützen.
Viele Handwerksunternehmer stellen sich mittlerweile etwas ratlos die Frage, wie und woher sie noch geeignete Nachwuchskräfte beziehen können.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei vielen Jugendlichen und Eltern nach wie vor Vorurteile bestehen, wonach das Handwerk einzig für harte, schmutzige Arbeit steht - und das bei schlechter Entlohnung.
Die erfolgreiche Image-Kampagne des Handwerks soll diesen Vorurteilen entgegenwirken. Der eingangs gezeigte Film ist eines von vielen Instrumenten dieser Kampagne.
Darüber hinaus haben viele Gewerke bereits Werbemittel entwickelt, mit denen schon Kinder im Vorschulalter für das Handwerk begeistert werden sollen. Diese sollen vermitteln, was die „Helden des Alltags“ alles leisten. Auch der ZIV hat unterschiedliche Instrumente entwickelt, um Kinder und Jugendliche für unseren Beruf zu begeistern. Schorn-steinfegercomics und Malbücher erzählen spielerisch von den täglichen Aufgaben eines Schornsteinfegers. Da Mecklenburg-Vorpommern ein Flächenland ist und wir viele erreichen wollen, wurden aus den Reihen der Meister Lehrlingsscouts fortgebildet, die in Schulen aktiv für den Beruf werben.
Wie auch immer wir das Nachwuchsproblem angehen wollen. Im Ergebnis steht fest, dass es dem Handwerk zukünftig besser gelingen muss, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Kinder und Jugendlichen zu gewinnen, seine Bedeutung für unsere Gesellschaft präsenter zu machen und letztlich aufzuzeigen, dass das Handwerk viele interessante, anspruchsvolle Berufe mit Perspektive zu bieten hat.
Dabei kann uns die Politik in jeder Hinsicht unterstützen.
Das können Sie als verbindliche Aufforderung verstehen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich zudem für den diesjährigen Kalender des Wirtschaftsministeriums bedanken, in dem verschiedene Handwerker aus Mecklenburg- Vorpommern ihren Beruf vorstellen.
Eine Fortsetzung wäre wünschenswert, bei der dann natürlich auch ein Schornsteinfeger dabei sein sollte.
Aber was kann die Politik weiter tun?
Zahlreiche Umfragen bei den Angestellten im Handwerk, haben ergeben, dass neben einem positiven, familiären Betriebsklima auch zusätzliche Angebote im Betrieb sowie regionale weiche Standortfaktoren entscheidend für die Arbeitgeberwahl waren. Junge wie ältere Fachkräfte, Männer wie Frauen, bewerten diese bei der Arbeitgeberwahl sogar höher als die Entlohnung.
Im Detail heißt das: Zukünftige Fachkräfte wünschen sich vor allem eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort, ein wohnortnahes Angebot an Schulen, am besten mit Ganztagsversorgung, und natürlich ein ausreichendes Angebot an Kindestagesstätten mit flexiblen Öffnungszeiten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten.
Das wünschen wir, die Arbeitgeber im Handwerk, uns auch.
In der heutigen Arbeitswelt sind Dienstleistungen zu später Stunde und am Wochenende keine Seltenheit mehr, auch nicht im Handwerk. Wie im Einzelhandel insgesamt, arbeiten die Fachverkäuferinnen im Bäcker- oder Fleischerhandwerk natürlich auch am Wochen-ende. Und die Arbeitszeit auf vielen Baustellen begrenzt sich oftmals auch nicht auf die reguläre Arbeitswoche von Montag bis Freitag. Im Schornsteinfegerhandwerk gehören Termine nach 17.00 Uhr und am Samstag mittlerweile zur Selbstverständlichkeit. Nur so ist eine umfassende Dienstleistung am Kunden zu gewährleisten.
Tatsache ist: Die durchschnittlichen Öffnungszeiten der Kindertagesstätten von 8.00 bis 17.00 Uhr entsprechen nicht mehr der Arbeitsrealität. Hier muss es flexiblere Angebote geben, um die allerorts geforderte Vereinbarkeit von Beruf und Familie tatsächlich zu leben.
Hier hat Mecklenburg-Vorpommern die Chance Vorreiter zu sein und sich im Wettbewerb mit anderen Bundesländern um junge Fachkräfte sowie für Wirtschaftsansiedlungen hervorzuheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
in Bezug auf die Nachwuchsgewinnung existiert zudem eine weitere wichtige Frage: Wie kann man den vielen Jugendlichen, die jetzt ohne Schulabschluss dastehen beziehungsweise nicht über die nötige Ausbildungsreife verfügen, dennoch eine Zukunftsperspektive bieten?
Das Handwerk ist bereit seinen Teil beizutragen, aber gerade bei den gefahrengeneigten Handwerksberufen ist und bleibt die nötige Ausbildungsreife unerlässlich. Das sind wir unseren Kunden und letztlich auch unserem eigenem Qualitätsanspruch schuldig.
Bei einigen Gewerken besteht indes die Möglichkeit und das Engagement, Jugendlichen, die aufgrund ihrer schulischen Vorbildung, ihrer sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Nationalität, die Anforderungen einer betrieblichen Ausbildung häufig nicht bewältigen können, eine Chance zu geben.
Das hiesige Bäcker- und Konditorenhandwerk möchte beispielsweise gern das Konzept der „Benachteiligten Ausbildung“ aus Hamburg auch in Mecklenburg-Vorpommern erproben. Hier soll mithilfe einer sozialpädagogisch orientierten Ausbildung den sogenannten benachteiligten Jugendlichen das Erreichen eines vollwertigen Ausbildungsabschlusses erleichtert werden. Die Besonderheit dieser Ausbildung liegt in der Vermittlung berufsfachlicher Qualifikationen und der sozialpädagogischen Begleitung der Jugendlichen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Aufgreifen von individuellen Problemlagen, die Stabilisierung der Jugendlichen und die Entwicklung von Perspektiven und Lebensentwürfen. Das übergeordnete Ziel der Benachteiligtenförderung ist die dauerhafte Integration benachteiligter Jugendlicher in Beschäftigung.
Die Erfahrungen Hamburgs zeigen, dass dieses Projekt durchaus einen Versuch wert ist. Die Quote der Jugendlichen mit Benachteiligung, die ihre Lehre tatsächlich abgeschlossen haben, liegt bislang bei 100 %.
Ich bitte die Landespolitik zu prüfen, inwieweit das Handwerk hier, wie in Hamburg, finanzielle Unterstützung finden kann.
Gemeinsam können wir auf diesem Wege viel bewirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!